Offener Brief an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zum Thema: “Überbrückungshilfen – Ergänzender Leitfaden zu Verbundunternehmen”
OneWorld Consulting versteht sich als Sprachrohr für betroffene Unternehmen in der Tourismusbranche und hat den folgenden Brief an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz verfasst, um die Relevanz der Thematik sowie mögliche negative Auswirkungen hervorzuheben.
Der Brief bezieht sich auf das Rundschreiben vom 28.07.2024 der Steuerberaterkammer Köln, zum Thema “Überbrückungshilfen – Ergänzender Leitfaden zu Verbundunternehmen.“
OWC, Jochen Balduf, Pappelallee 78/79, 10437 Berlin, Deutschland
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Bundewirtschaftsminister Herr Dr. Robert Habeck
Scharnhorststraße 34-37
11019 Berlin
Deutschland
Lieber Herr Habeck!
Die Tourismusindustrie begeistert seit jeher mit ihrer Vielfalt, Weltoffenheit, Inspiration & Toleranz – und trotz aller Krisen ist die Leidenschaft der Touristiker für ihren Beruf ungebrochen. Wir glauben fest an das Potenzial und die Zukunft dieser wunderbaren Branche, und genau deshalb erhalten Sie diesen Brief, bezugnehmend auf das Rundschreiben bezüglich der Überbrückungshilfen und dem damit ergänzenden Leitfaden für Verbundunternehmen.
Aktuell befinden sich Frau Pascu und ich in Argentinien und wurden um 3 Uhr nachts aus dem Bett geklingelt – Grund dafür war eine dringliche Anfrage zum oben genannten Rundschreiben und dem dazugehörigen Leitfaden.
Leider ist dieser publizierte Leitfaden alles andere als klar und transparent und lässt sich darüber hinaus sehr konträr interpretieren. Dieses Belangen erinnert sehr an die Problematik der EU-Beihilferichtlinie, die nach einem Aufschrei Anfang 2022 von Ihrem Vorgänger dankenswerterweise korrigiert worden ist.
Bevor wir hier jedoch auf das eigentliche Thema eingehen, möchten wir auf diesem Weg erklären, was diese Umstände mit bestehenden Unternehmerinnen und Unternehmern in der Touristik genau anstellen. Der Mittelstand, der das Land am Laufen hält, versinkt aktuell regelrecht in massenhaft Bürokratie und Unsicherheit. Da wir als OneWorld Consulting unter anderem auf Unternehmensnachfolge, Turn-Around und Strategieberatung für Touristikunternehmen spezialisiert sind, können wir Ihnen aus zahlreichen, erlebten Gesprächen und Erfahrungen erläutern, was die Menschen aktuell umtreibt. Und nein, es sind nicht nur „die Alten“, wie in diesem Belangen gerne unterstellt wird – sondern auch immer mehr jüngere Menschen, die dem Druck nicht mehr gewachsen und einfach nur noch überfordert sind.
Vielleicht können Sie mit folgenden Ausführungen auch nachvollziehen, weshalb wir innerhalb des letzten Jahres immer mehr Anfragen bezüglich der Auslagerung touristischer Betriebe in Teilen oder im Ganzen erhalten. Das mag ohnehin für das ein oder andere Unternehmen sicherlich schon allein aus strategischen Gründen Sinn machen, allerdings ist das Hauptmotiv leider ein anderes. Wir freuen uns selbstverständlich über diese potenziellen Aufträge aus unternehmerischer Sicht; allerdings besteht natürlich das Risiko, dass sich die einzigartige Reiseveranstalterlandschaft mit all ihren Facetten vielleicht in keine wünschenswerte Richtung verändert. Was wir Ihnen allerdings versichern können: das sind keine Lösungen, die nur für große Unternehmen in Betracht gezogen werden. Das kann je nach Einzelfall bereits bei Kleinreiseveranstaltern durchaus sinnvoll sein. Natürlich ist im Ausland auch nicht alles Gold, was glänzt – allerdings kennen wir bisher keinen, der seine Entscheidung hier rückgängig machen, sondern perspektivisch eher diesen Weg weitergehen möchte.
Wir möchten Ihnen einen kleinen Einblick geben, was Corona und seine Folgejahre für die kleinen und mittelständischen Reisebüros sowie Reiseveranstalter bedeutete: Es zeichnete sich ab, dass das Jahr 2020 im Bereich der Touristik ein absolutes Spitzenjahr hätte werden können, da die Hauptbuchungsphase vor den weltweiten Reisebeschränkungen enorm erfolgreich verlaufen ist. Nun mussten jedoch aufgrund gegebener Umstände sämtliche Reisen storniert oder umgebucht werden. Ein sehr namhafter Tourismuskonzern hatte einfach mal so Telefonleitungen gekappt und zigtausende Büros damit alleine gelassen. Trotz allem mussten diese Reisen abgewickelt werden – und das nicht nur unter den erschwerten Bedingungen, sondern zusätzlich mussten aus wirtschaftlichen Gründen selbst die Mitarbeiter umgehend in Kurzarbeit geschickt werden. Die Inhaberinnen und Inhaber saßen folglich allein im Büro und durften all diese Buchungen selbst bearbeiten. Das hätte bereits unter normalen Umständen jedes Unternehmen in dem Zeitraum schon überfordert. Haufenweise Kundenanrufe, Emails und kaum Antworten seitens der Unternehmen waren das Resultat, da auch hier alle aus den gleichen Gründen extrem überlastet waren. Home-Office war damals noch für viele ein Fremdwort und es fehlte häufig auch die dafür benötigte, digitale Infrastruktur.
So läuft es eben in der Touristik – und spontan fällt uns nichts mit höheren Standards für Verbraucherschutz ein. Von Überbrückungshilfe ist hier noch nicht mal die Rede. Kommen wir zur BAFA-Krisenberatung mit den definierten Sonderregelungen für die Corona-Pandemie. Hier hatte man ein Modell ohne Zuzahlung für Krisenberatung geschaffen. Allerdings kommen auch hier wieder Theorie und Praxis ins Spiel. Die Anzahl der Anträge sind wie zu erwarten beim BAFA regelrecht explodiert – unter den Anfragen sicherlich auch gewisse Berater, die einfach auf den Zug ohne Plan aufspringen wollten – und Qualitätskontrollen gab es dabei kaum, was die Praxis wiederum erschwerte.
Allerdings durfte man ja nicht wirklich beraten: die konkrete Hilfe war nicht abgedeckt, wie zum Beispiel Unterstützung bei der Liquiditätsplanung und vielem mehr mit der Begründung, das „seien doch einfache Aufgaben, für die eine Beratung nicht notwendig sei.“ Unterstützung bei Gesprächen mit Banken gab es leider genauso wenig – mit derselben Begründung. Zudem gab es keine konkreten Aussagen, was zulässig war und was nicht. Gerne hätten wir damals Ihren Amtsvorgänger eingeladen, einen Turn-Around-Prozess mit uns in der Praxis zu begleiten, damit er einen Eindruck davon bekommen kann. Allerdings wurde das Programm heimlich bereits suspendiert und die Unternehmer wurden mit fragwürdigen Begründungen hingehalten. Es gab keine Inaussichtstellungen mehr. Klar ist, dass dies Absicht war und die entsprechenden Stellen untätig bleiben mussten.
Das wurde nicht kommuniziert, sondern verneint. Es kam diesbezüglich anschließend zu einer Anfrage über eine Fraktion. Mit Ablauf dieser Frist und am Tag der Beantwortung durch den damaligen Staatssekretär Herr Dr. Nußbaum gab es eine Pressemitteilung, dass das Programm gestoppt wurde, da es zu viele „schwarze Schafe“ seitens der Berater gab. Das ist nicht schön, sondern tragisch und auch wir haben solche Fälle erlebt. Eine weltweite Krise sollte ja nicht der Zeitpunkt zum Üben sein; und zweitens wollten diese Berater weder Jahresabschlüsse noch Zahlen sehen, sondern haben eher die Berichte zum Selbst ausfüllen an die Unternehmer gesendet. So etwas kann für die Unternehmen tragische Folgen haben. Jedoch waren der Generalverdacht und die verschwiegene Beendigung des Programms über Wochen noch viel dramatischer, denn im Krisenmanagement ist in Wahrheit der größte Feind der Wettlauf gegen die Zeit: und die konnte man leider nicht zurückdrehen.
Der Umgang mit den Unternehmerinnen und Unternehmern in Not innerhalb dieser Situation hat uns zutiefst entsetzt, denn diese setzten auf die Hilfe, die sie in der Situation nicht nur finanziell benötigten. Anschließend kamen die Überbrückungshilfen samt den fortlaufenden Änderungen – gegen die man noch heute mit den Schlussabrechnungen kämpft. Das hat psychische als auch physische Folgen für die betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmer. Die Menschen fühlen sich hilflos und sind im Umkehrschluss abhängig von Steuerberatern.
Auch wenn es ein Thema ist, das in der Regel totgeschwiegen wird, können Sie sich vor dem Hintergrund nicht vorstellen, dass die Menschen an Burn-Out, Depressionen und zahlreichen anderen psychischen und physischen Folgen leiden.? Auch wir haben die Mitarbeiter weit über ihre Limits pushen müssen und rückblickend fragen auch wir uns, wie wir das damals überhaupt gemacht haben. Dass die Menschen einfach erschöpft sind und nicht mehr können oder zumindest nicht mehr in dieser Intensität können, das sollte man diesen doch zugestehen. Uns ist klar, dass das “Weltkulturerbe Bürokratie” in Deutschland einen besonderen Stellenwert hat, aber manchmal ist weniger auch mehr. Und man sollte hier nicht weiter Unsicherheiten hervorrufen.
In einer Vielzahl an Gesprächen mit Juristen und Steuerberatern ist schlussendlich das Fazit, dass die Gerichte die Auslegung zu beurteilen haben.
Darf der Bürger oder der Unternehmer, insbesondere der Einzelunternehmer, der mit seiner Existenz für das Unternehmen einsteht, nicht auf klare Gesetze, Regeln und Sicherheit hoffen?
Hierzu sollte sich eigentlich ein Jeder mal solche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anschauen. Diese dauern Jahre: die Kosten können je nach Prozessverlauf regelrecht explodieren und sind von den Unternehmen auch noch vorab zu tragen. Hierbei geht es um nichts Anderes als die Existenz, die sich diese Menschen mit wahnsinnig viel Herzblut und Energie aufgebaut haben. Diese dauerhafte, psychische Belastung, kombiniert mit der daraus resultierenden Unsicherheit führen in erster Linie dazu, dass die Unternehmer und Unternehmerinnen an den genannten Folgen leiden und solche Prozesse kaum durchzustehen sind.
Ferner ist es außerdem so, dass sich der Gegner – das Land (welches keine Rücksicht auf die Kosten nehmen muss) – Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie Rechtsanwälten, die sich ausschließlich mit dieser Thematik befassen, gegenübersieht. Fairness und Waffengleichheit sind in diesem Fall ein Fremdwort. In den meisten Bundesländern verzichtet man dabei auch auf das Widerspruchsverfahren und stimmt zu, dass ausschließlich gegen Bescheide mit allen Folgen geklagt werden kann. Es handelt sich dabei um eine Förderung des Bundes, deren Regelungen sich von Bundesland zu Bundesland und Bewilligungsstelle zu Bewilligungsstelle unterscheiden – jeweils mit unterschiedlichen Folgen. Das kann doch eigentlich nicht der Sinn dieser Förderungen sein. Ebenso geht Transparenz verloren und untergräbt dabei das Vertrauen in Politik und Rechtstaatlichkeit.
Deutschland befindet sich derzeit in einer wirtschaftlich Schieflage und solche Verfahren tragen in diesem Belangen nicht zur Besserung bei.
Nein, es sind nicht die Konzerne, von denen wir sprechen. Wir thematisieren das Reisebüro an der Ecke, den Spezialveranstalter und viele mehr, die in dieser Situation leer ausgehen. So unterschiedlich sie auch sein mögen – diese Unternehmen vereint, dass sie mit wahrem Herzblut für ihre Kunden da sind. Es sind, unabhängig vom qualitativen Aspekt, zudem auch Arbeitgeber, von denen andere Menschen wiederum abhängig sind und von der Anstellung leben. Es ist wirklich traurig anzusehen, wie man hier mit immer mehr Bürokratie und subjektiv wahrgenommenen Willkür den Behörden ausgeliefert wird. Das Schlimmste an dem Umstand ist, dass es nicht um die Arbeit geht, die nicht mehr Spaß macht – sondern man zur Aufgabe „gezwungen“ wird, da die Rahmenbedingen für viele nicht mehr erträglich sind.
Wir sind sicher alles andere als Verschwörungstheoretiker. Allerdings lassen uns gewisse Aussagen und kontroverse Verhaltensweisen jedoch immer mehr zweifeln. Hierbei gilt vorab jedoch noch besonders zu betonen: im Rahmen der Überbrückungshilfen galten die FAQ quasi als „heiliger Gral“. Von der Darstellung her war man der festen Überzeugung, dass die dargestellten Überbrückungshilfen Gesetzescharakter haben. Wenn man hingegen bei der Hotline für prüfende Dritte anrief, fielen innerhalb des Gespräches dann Sätze wie Folgender, die diese Annahme zu bestätigen schienen: „Die FAQ haben Gesetzescharakter.“ Zwischenzeitlich hat sich das Wording in konkreten Fällen schon geändert: Die FAQ seien nicht bindend und man hätte hier einen sehr großen Interpretationsspielraum.
Ihnen sind sicherlich die zahlreichen Änderungen der Förderbedingungen nach Ablauf der Förderperioden bekannt, was dazu führt, dass man immer wieder unter neuen Gesichtspunkten den Prozess sowie einzelne Aspekte neu beurteilen musste und muss, was mit enormem Aufwand verbunden ist und die beteiligten Parteien, prüfende Dritte, Unternehmer, aber auch die Bewilligungsstellen vor eine Sisyphos Aufgabe stellen. Die Unsicherheit ist dabei häufig mit schweren elementaren und existentiellen Ängsten verbunden.
Es ist nicht unser Ziel, in diesem Schreiben Bashing gegen Sie zu betreiben. Auch ist uns durchaus bewusst, dass Sie mit aktuellen Geschehnissen, wie dem Ukraine-Krieg, dem Nahost-Konflikt, der Energieversorgung und der Inflationsbekämpfung alles andere als leichte Aufgaben haben, die sicherlich auch wahnsinnig an Ihnen zehren. Jedoch sollte an diesem Punkt auch klar gemacht werden: Politiker mögen ein Mandat verlieren und werden entsprechend sozial und wirtschaftlich aufgefangen. Während bei den kleinen sowie mittelständischen Unternehmen ganze Existenzen zerstört werden können. Für uns sind das keine Statistiken: wir kennen die Menschen, deren Familien, Kinder und die daraus resultierenden Schicksale mit den Folgen im beruflichen, als auch im privaten Bereich persönlich. Das treibt uns jeden Tag immer wieder aufs Neue an.
Nun kommen wir zu dem Rundschreiben, welches in Kürze auf der Webpage des BMWK veröffentlicht werden soll und welches uns bereits vorliegt. Basierend auf diesem Hintergrund zitieren wir Ihnen gerne einige Stellen und interpretieren diese entsprechend aus der Sicht von uns, als „juristische Laien“ mit Praxiserfahrung, um unsere Bedenken zum Ausdruck zu bringen und Ihnen einen Denkanstoß zu geben.
Rundschreiben BMWK
„Mehrere Unternehmen, die einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen gehören, sind verbundene Unternehmen, sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in sachlich benachbarten Märkten tätig sind. Enge familiäre Verbindungen gelten grundsätzlich als ausreichend für die Schlussfolgerung, dass natürliche Personen gemeinsam handeln.“
Hier unsere erste Frage: Ist denn der benachbarte Markt noch relevant? Denn das würde ja ansonsten bedeuten, dass das Reisebüro und der Zahnarzt einen Verbund bilden müssten. Denn – wie weiter unten ausgeführt wird – spricht man vom „Einstehen enger Familienverbände“. Hieraus könnte man ableiten, dass grundsätzlich die direkte Blutsverwandtschaft oder Ehe hierzu führen. Das verstehen wir persönlich unter Sippenhaft und halten es, wie auch zahlreiche Juristen, für nicht haltbar. Man bezieht sich auch auf einen Beschluss des OVG Mecklenburg-Vorpommern; hier sind allerdings keine Details zu dem Einzelfall genannt. Es kann hierbei sogar sein, dass dem Unternehmen nach dem OVG einfach „die Luft ausgegangen“ ist und man sich nicht mehr zur Wehr setzen konnte. Daher finden wir Urteile ohne Hintergründe und Kontext nicht seriös, sondern eher erschreckend.
„Diese Typisierung war und ist für das Gelingen der Überbrückungshilfen notwendig. Die Regelung ermöglichte die Bewältigung der mehr als 26 Mio. Anträge in einem für die Existenzsicherung der Unternehmen notwendigerweise überschaubaren Zeitraum. Ansonsten hätten die Bewilligungsstellen eine Vielzahl schwieriger Zurechnungs- und Abgrenzungsfragen im Einzelfall klären müssen, was in diesem Massenprogramm schlichtweg nicht leistbar gewesen wäre. Das so verwendete Konzept entspricht auch dem Grundgedanken der Corona- Überbrückungshilfe, dass in dieser Notlage die Gemeinschaft eng zusammenrückt und aus Steuermitteln Zuschüsse an Unternehmen gewährt, die Coronabedingte Umsatzrückgänge haben. Wenn die Gesamtgemeinschaft zusammenrückt, ist es aber auch konsequent, dass der enge Familienverband zusammenrückt. Die Zusammenfassung enger Familienangehöriger zu einer Gruppe gemeinsam handelnder Personen geht davon aus, dass im (engen) Familienverbund zunächst die Angehörigen im Notfall füreinander einstehen. Es entspricht dem Subsidiaritätsgedanken, dass staatliche, durch den Steuerzahler finanzierte Hilfen erst dann geboten sind, wenn Hilfe selbst oder durch die Familie nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht.“
Was bedeutet Ihrer Auffassung nach, dass staatliche Hilfen, durch den Steuerzahler erst geboten sind, wenn Hilfe selbst oder durch die Familie nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht? Hier wird mit keiner Silbe der benachbarte Markt oder Ähnliches erwähnt. Wir hoffen, dass dies nur etwas missverständlich in diesem Kontext zu sehen ist, und in der Praxis nicht der Realität entspricht.
Wir verstehen, dass die Zurechnungs- und Abgrenzungsfragen sehr aufwendig im Einzelfall gewesen wären, aber ganz ehrlich: alle Anträge wurden von prüfenden Dritten gestellt, überwiegend Steuerberatern. Diese kennen die Unternehmen und wären durchaus in der Lage gewesen, das sehr gut zu prüfen und zu beurteilen. Aber hier bekommt man das Gefühl, dass der Staat diesen mit einer ordentlichen Portion Misstrauen entgegentritt. Wieso dann überhaupt noch diese teure Instanz mit dem ganzen Aufwand? Die waren alle auch schon vor Corona gut beschäftigt und ich kann Ihnen versichern, insbesondere rückblickend hätten gerne viele auf dieses Business verzichtet. Jedoch war es notwendig und man tat eben, was getan werden musste.
In der Einleitung zu diesem Leitfaden wurde von Seiten des BMWK mitgeteilt, dass es nur eine Zusammenfassung der bisherigen Regelungen sei und es keine Neuerungen gebe. Wir hoffen, dass Sie unsere Skepsis dahingehend verstehen, dass schon allein die Steuerberaterkammer Hamburg am 03.09.2024 ein Online-Seminar aufgrund des Leitfadens für prüfende Dritte veranstaltet. Themenschwerpunkt ist unter anderem „Familiäre Verflechtungen; Neue Bewertungsmaßstäbe” und “Nachträgliche Einbeziehung von Verbundunternehmen”.
Anscheinend haben auch Steuerberaterkammern hier eine andere Auffassung als das BMWK. Wir befinden uns aktuell in der Urlaubszeit – wie ist eigentlich Ihre Auffassung, die notwendigen Prüfungen je nach Ausmaß und ggf. sehr aufwendigen Überarbeitungen durch prüfende Dritte bis zur Schlussabrechnung am 30.09.2024 vorzunehmen? Wie soll das bitte allein vom Workload her funktionieren? Der Titel des Seminars lautet: „Aktuelles zu verbundenen Unternehmen bei den Überbrückungshilfe – Praxisrelevante Neuerungen durch den ergänzenden Leitfaden des BMWK.”
Nun heißt es direkt zu Beginn als Vorwort des BMWK:
„Der Leitfaden enthält zwischen dem BMWK, den Landesregierungen und Bewilligungsstellen abgestimmte Zusammenfassung und eine übersichtliche Darstellung der über die Jahre entwickelten Praxis. Neue Vorgaben für den Umgang mit Verbundunternehmen wurden ausdrücklich nicht gemacht.”
Verstehen Sie in diesem Kontext die damit geschaffene Verunsicherung? Die Einschätzung der Steuerberaterkammer widerspricht deutlich der Aussage des BMWK.
Bitte nehmen Sie es uns nicht übel, dass wir aufgrund der bisherigen Erfahrungen bei einem Leitfaden für Verbundunternehmen mit solch einer Interpretationsflexibilität doch ein wenig skeptisch sind und wir dahingehend um eine unmissverständliche Klarstellung bitten. Ganz nach dem Motto: „Lieber einmal zu viel gefragt!”
“Ausgehend vom Antragsteller gilt diese Schlussfolgerung des gemeinsamen Handels für Eheleute, eingetragene Partnerschaften, Kinder, Eltern und Geschwister. Für alle übrigen Verwandtschaftsverhältnisse, beispielsweise Geschwister der Eltern oder Kinder der Geschwister, gilt diese Vermutung nicht.“
“Diese Schlussfolgerung hält einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung stand, beispielsweise Beschluss OVG Mecklenburg-Vorpommern (AZ: 2 LZ 196/23 OVG) vom 7. November 2023, in dem bezüglich der Verbundregelungen in den ÜBH kein Verstoß gegen Art. 3 GG i.V.m.Art. 6 GG festgestellt wurde.“ In dem Rundschreiben wurde ja auch ein Beispiel geliefert:
„Die Ehepartner A und B betreiben jeweils eigenständig mehrere wirtschaftliche Tätigkeiten. A makelt Immobilen im hochpreisigen Marktsegment und B im mittleren Preissegment. A betreibt zudem in geringem Umfang Handel mit Schmuck, B verkauft gelegentlich Autos. Ein Verbund liegt vor, wenn jeweils den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivität von A & B bildet. Dies ist in der Regel der Fall, wenn mehr als 50 Prozent in demselben oder sachlich benachbarten Markt erwirtschaftet wurden. Welcher Zeitraum für die Umsatzermittlung sachgerecht erscheint, hängt von den konkreten Umständen ab (z.B. Zeitpunkt der Unternehmensgründung bzw. des Eintritts in den betreffenden Markt, Datenverfügbarkeit) und ist daher von der Bewilligungsstelle im Einzelfall zu entscheiden. Auch ob die Umsatzschwelle sachgerecht erscheint, kann von der Bewilligungsstelle im Einzelfall ermittelt werden. Gemeinsames Handeln kann sich auch ohne gegenseitige Leistungsbeziehungen zeigen, z.B. bei einer Gebietsabsprache zur Marktaufteilung.“
In diesem Beispiel wird wieder Bezug auf die benachbarten Märkte genommen, was gefühlt nun eine Präzisierung ist, aber grundsätzlich nicht zwingend als „Muss“ dargestellt wird.
Fazit und Forderung
Wir möchten ausdrücklich anmerken, dass dieser Leitfaden unseres Erachtens sehr viel Interpretationsspielraum offenlässt und aus den bisherigen Erfahrungen mit den Überbrückungshilfen einiges an Skepsis hervorruft. Eine rasche Klarstellung wäre von Seiten Ihres Ministeriums sehr wünschenswert, um den Unternehmen am Markt auch eine gewisse Sicherheit an die Hand zu geben.
Eine weitere, grundsätzliche Anmerkung haben wir auch in Bezug auf die benachbarten Märkte. In den vergangenen 14 Jahren haben wir immer wieder die Erfahrung gemacht, dass auch Geschwister zwei Reisebüros haben, aber ggf. seit Jahren nicht mehr miteinander sprechen oder sie gar nicht mehr wissen, was der andere beruflich macht – aufgrund familiärer Verwerfungen. Halten Sie in dem Kontext einen Verbundantrag für zielführend? Es mag in einzelnen Fällen durchaus gute Gründe geben, weshalb kein Kontakt mehr besteht. Praxisnah ist in dieser Situation erneut etwas anderes.
Basierend auf diesem Hintergrund und aufgrund der bereits skizzierten Lage in der Branche: wäre es denn nicht zielführender, über eine Verlängerung der Frist zur Schlussabrechnung nachzudenken?
Als jemand aus der Praxis kann ich Ihnen eines versichern: Bis zum 30.09. ist ohnehin ein Stau auf den Schreibtischen der Bewilligungsstellen vorhanden und die Schlussabrechnungen würden so oder so nicht zeitnah bearbeitet werden.
Würde eine pragmatische Entscheidung zur Fristverlängerung nicht allen Seiten entgegenkommen?
Den prüfenden Dritten, den Unternehmen, aber auch eben den Bewilligungsstellen, die zurzeit ebenso maßlos überlastet sind. Es kann schlussendlich doch auch nicht Ihr Ziel sein, dass Existenzen zerstört werden – wenn die Menschen, prüfende Dritte etc. massiv überfordert sind.
Hier könnte man grundsätzlich auch über ein Widerspruchsverfahren in allen Bundesländern nachdenken, um Gerichte und am Ende des Tages auch die Unternehmen zu entlasten – da dies nicht mit erheblichen Kosten eines ggf. langjährigen Rechtsstreits verbunden ist. Vor der angespannten Haushaltslage wäre das ohne Kosten für den Steuerzahler verbunden, man hätte eher eine finanzielle Entlastung für die Staatskasse. Die Sprache in dem Leitfaden zeugt vom Zusammenstehen von Familien und der Gesellschaft.
Sollte man dann nicht etwas praxisnäher versuchen, das Thema Überbrückungshilfen gemeinsam zu einem guten Ende zu bringen? Sollten auf diesen Metern, denn nicht auch der Staat und die Unternehmen enger zusammenrücken?
Sollte es nicht auch hier ein Miteinander, und kein Gegeneinander sein?
Das könnte ein Anfang sein, ganz ohne Ideologie und Parteifarbe, Politik für und mit den Menschen zu machen. Denn das ist sicherlich auch eines der Probleme, weshalb der Wähler sich nicht mehr verstanden fühlt und bedauerlicherweise extreme Parteien seit Jahren immer mehr Zulauf haben. Auch, wenn wir uns aus konkretem Anlass in diesem Moment an Sie als Wirtschaftsminister wenden Herr Dr. Habeck, gilt das unseres Erachtens ebenfalls für alle demokratischen Parteien.
Es herrscht aktuell die Praxis im Gegensatz zur Theorie vor und da glauben wir fest daran, dass auch ein Staat eine menschliche Seite haben darf und auf diese Belange Rücksicht nehmen sollte. Vielleicht endet dann auch dieses immense Misstrauen seitens der Wählerschaft gegenüber dem Staat und die unsägliche Verrohung gegenüber Politikern und anderen Menschen in der Gesellschaft. Man darf doch anderer Auffassung sein und die Diskussionen sollten in der Sache hart geführt werden, aber bitte mit Respekt und ohne Drohungen.
Natürlich treffen die in diesem Brief thematisierten Probleme und Merkmale nicht auf jedes einzelne Unternehmen in der Tourismusbranche zu. Leider sprechen wir hierbei aber definitiv von einem Großteil der Branche und hoffen somit, Ihnen einen ernstzunehmenden Denkanstoß gegeben zu haben.
Aufgrund der Aktualität und Dringlichkeit freuen wir uns auf Ihr zeitnahes Feedback.
Mit freundlichen Grüßen
Amalia-Rebecca Pascu & Jochen Balduf
Ein Kommentar hinterlassen